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Wie hängt eine Sprachentwicklungsstörung mit Legasthenie zusammen?

Gastbeitrag von Dani Cullen: Sprachtherapeutin mit Spezialisierung im Bereich Late Talker und frühkindliche Sprachentwicklung

 

Mithilfe von Sprache drücken wir unsere Gedanken aus, teilen Wissen und treten mit anderen in Kontakt. Doch nicht alle Kinder entwickeln ihre Sprache gleich schnell und problemlos. Wenn Kinder Schwierigkeiten mit der Verarbeitung von Sprache haben und aufgrund dessen ihre sprachlichen Fähigkeiten sich nicht altersgerecht entwickeln, spricht man von einer Sprachentwicklungsstörung (SES). Doch was bedeutet das genau, und warum kann eine SES das Risiko für eine spätere Legasthenie erhöhen?

Was ist eine Sprachentwicklungsstörung?

Eine Sprachentwicklungsstörung (SES) liegt vor, wenn ein Kind deutliche Schwierigkeiten mit dem Spracherwerb hat. Diese Schwierigkeiten können verschiedene Bereiche betreffen. In manchen Fällen sind alle Bereich betroffen, in anderen nur Teilbereiche:

 

       Wortschatz: Der Wortschatz ist gering. Das Kind lernt neue Wörter langsamer oder hat Schwierigkeiten, sie abzurufen.

 

       Grammatik: Die Grammatik ist nicht altersgerecht entwickelt. Es liegen eine fehlerhafte Satzbildung oder Probleme mit der Flexion von Wörtern vor.

 

       Sprachverständnis: Schwierigkeiten, gesprochene Sprache korrekt zu erfassen und darauf zu reagieren.

 

       Phonologie: Laute werden ersetzt, vertauscht oder ausgelassen.

Häufig ist die Sprachentwicklung von Kindern mit einer SES schon früh auffällig. Sie beginnen spät mit dem Lallen (Brabbeln), verwenden im zweiten Lebensjahr weniger Gesten als Gleichaltrige und haben einen geringen Wortschatz. Ein klarer Zusammenhang besteht zwischen sogenannten Late Talkern (Kinder, die mit 24 Monaten noch keine Wörter kombinieren) und späteren sprachlichen Schwierigkeiten. Zwei Drittel dieser Kinder haben später eine SES oder andere sprachliche Probleme (zum Beispiel mit der Rechtschreibung).

 

Eine Früherkennung ist wichtig, um die Kinder so früh wie möglich zu unterstützen. So kann ein großer Rückstand möglichst gut verhindert werden.

Zusammenhang zwischen SES und Legasthenie

Kinder mit einer Sprachentwicklungsstörung haben ein erhöhtes Risiko, später Schwierigkeiten beim Lesen- und Schreibenlernen zu entwickeln. Studien zeigen, dass besonders Probleme in der phonologischen Bewusstheit eine zentrale Rolle spielen. Darunter versteht man die Fähigkeit, die Lautstruktur von Sprache wahrzunehmen und zu verändern – eine essentielle Grundlage für den Schriftspracherwerb.

Wissenschaftliche Erkenntnisse zeigen

       Kinder mit SES haben häufig Schwierigkeiten, Wörter in ihre Laute und Teile zu zerlegen oder Reime zu erkennen.

 

       Diese Fähigkeiten sind für das Erlernen der Schriftsprache essenziell.

 

       Je ausgeprägter die frühen sprachlichen Defizite sind, desto wahrscheinlicher ist eine spätere Legasthenie.

 

Was können Eltern tun?

Frühe Unterstützung ist entscheidend. Eltern können die Sprach- und Schriftsprachentwicklung ihres Kindes auf verschiedene Weise fördern:

 

       Alltagsintegrierte Sprachförderung: In natürlichen Dialogen in Alltagssituationen entdecken Kinder die Funktion von Sprache und Kommunikation.

 

       Vorlesen und gemeinsames Erzählen: Geschichten hören und nacherzählen stärkt das Sprachverständnis.

 

       Sprachspiele: Reime, Silbenklatschen oder Lautspiele unterstützen die phonologische Bewusstheit.

 

       Frühe logopädische und/oder legasthenietherapeutische Unterstützung: Bei auffälligen sprachlichen Problemen können Elterntrainings, eine frühe Therapie helfen, späteren Schwierigkeiten entgegenzuwirken.

 

Fazit

Nicht jedes Kind mit einer Sprachentwicklungsstörung entwickelt später eine Legasthenie – aber viele Kinder mit Legasthenie hatten in frühester Kindheit bereits sprachliche Schwierigkeiten. Eine gezielte Förderung kann helfen, die sprachlichen Grundlagen für den Schriftspracherwerb zu stärken und so möglichen Problemen vorzubeugen. Eltern sollten sich nicht scheuen, frühzeitig fachliche Beratung in Anspruch zu nehmen, um ihr Kind bestmöglich zu unterstützen.

 

Die Autorin

Dani Cullen ist akademische Sprachtherapeutin mit Spezialisierung im Bereich Late Talker und frühkindliche Sprachentwicklung. In ihrer Arbeit legt sie besonderen Wert auf die Elternberatung, da sie hier viel unerschöpftes Potential sieht. Sie behandelt Kinder mit Sprachentwicklungsverzögerungen und -störungen und coacht Eltern in der alltagsintegrierten Sprachförderung.

Hier findest du ihren Instagram-Account.

 

 

 

Vielen Dank für den tollen Artikel, liebe Dani! :-)

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