Mythen und Fakten zum Autismus-Spektrum

Autismus ist eine spezifische Entwicklungsstörung und obwohl es mittlerweile mehr Forschung gibt, ist bis heute noch nicht wirklich geklärt, wie Autismus entsteht. Eine schlaue Psychologin hat mir einmal erklärt, jeder Mensch hat ein paar autistische Merkmale, aber niemand hat gar keine und niemand hat alle Merkmale. Jeder Mensch auf dieser Welt liegt irgendwo in diesem Spektrum. Personen, die eine gewisse Anzahl an Symptomen haben bzw. über dem Cut-off-Wert liegen, sind Autist*innen.

 

Da noch viel über Autismus geforscht werden muss, noch viel unklar ist und weil sich in der Vergangenheit leider viele Unwahrheiten verbreitet haben, möchte ich hier einige Mythen aufgreifen und richtig stellen.

 

Mythos 1: Alle Autist*innen haben außergewöhnliche Fähigkeiten, wie z. B. mathematisches Talent, Fahrpläne auswendig können oder ein fotografisches Gedächtnis.

 

Fakt: Nur sehr wenige Autist*innen haben außergewöhnliche Fähigkeiten, sogenannte Inselbegabungen. Die meisten Menschen im Autismus-Spektrum haben viele Stärken und Schwächen, die individuell sehr unterschiedlich sind. Jeder Mensch, egal ob autistisch oder nicht, hat Stärken und Schwächen und nur ganz wenige haben besondere Talente. So ist das auch bei Autist*innen.

 

Mythos 2: Autismus ist eine Krankheit, die geheilt werden kann.

 

Fakt: Autismus ist keine Krankheit, sondern eine neurologische Entwicklungsstörung. Es ist ein lebenslanger Zustand, der keine "Heilung" benötigt, denn es ist auch keine Krankheit. Autist*innen sollten Unterstützung bekommen, um individuelle Herausforderungen zu bewältigen. Die Welt sollte sich mehr an Autist*innen orientieren. Es gibt immer mehr Angebote, wie z.B. „die stille Stunde“ oder „Silent Disco“.

 

Mythos 3: Menschen mit Autismus zeigen keine Emotionen oder Empathie.

 

Fakt: Menschen mit Autismus empfinden natürlich auch Emotionen und können auch sehr empathisch sein. Oft haben sie jedoch Schwierigkeiten, Emotionen auszudrücken, zu verstehen oder zu interpretieren. Neurotypische Menschen empfinden das oft als „komisch“. Autist*innen fällt es oft schwer, andere zu verstehen. Sie wissen oft auch nicht, wie sie sich verhalten sollen.

 

Mythos 4: Autismus wird durch schlechte Erziehung verursacht.

 

Fakt: Nein! Autismus wird durch genetische und neurologische Faktoren verursacht, nicht durch Erziehungsstile oder familiäre Umstände. Der Mythos der "kalten Mutter" (Refrigerator Mother Theory) wurde zum Glück mittlerweile wissenschaftlich widerlegt. Eltern von autistischen Kindern haben oft auch selbst Autismus, nur wissen es viele (noch) nicht. Die Eltern haben keine Schuld am Verhalten ihrer autistischen Kinder.

 

Mythos 5: Alle Autist*innen vermeiden sozialen Kontakt.

 

Fakt: Autistische Menschen haben oft Schwierigkeiten mit sozialer Interaktion, aber das bedeutet nicht, dass sie keinen sozialen Kontakt möchten. Viele haben gute Beziehungen zu Freund*innen und Familie, manchmal kommunizieren sie aber anders als erwartet oder sie sagen sehr ehrlich ihre Meinung. Es gibt aber auch Autist*innen, die gerne alleine sind und nur wenige andere Menschen brauchen. Das ist individuell unterschiedlich.

 

Mythos 6: Autismus ist immer sichtbar.

 

Fakt: Autismus ist eine unsichtbare Behinderung und viele Autist*innen können in sozialen Situationen "maskieren", das heißt, sie passen sich an die Erwartungen anderer an. Sie wollen es allen anderen Recht machen und achten sehr auf die anderen auf. Dies führt oft zu Missverständnissen und einem Mangel an notwendiger Unterstützung, denn die Außenwelt bemerkt oft nicht, dass die autistische Person eigentlich Hilfe benötigt. Vor allem hochfunktionale Autist*innen „funktionieren“ im Alltag gut, weil sie sich anpassen, also maskieren. Zuhause sind sie erschöpft und brauchen ganz viel Ruhe und Erholung. Das sieht nur niemand und deshalb ist Autismus sehr oft unsichtbar.

 

Mythos 7: Impfungen verursachen Autismus.

 

Fakt: Es gibt keinen wissenschaftlichen Beweis dafür, dass Impfstoffe Autismus verursachen. Diese Behauptung basiert auf einer widerlegten Studie. Leider hält sich dieser Mythos noch immer. Impfungen sind sehr wichtig, denn sie schützen uns vor Krankheiten. Impfungen lösen keinen Autismus aus, denn Autismus ist von Geburt an da. Er zeigt sich oft nur nicht so deutlich und wird daher erst später erkannt.

 

Mythos 8: Autismus ist bei allen Menschen gleich.

 

Fakt: Autismus ist ein Spektrum, das bedeutet, dass jede*r Betroffene andere Herausforderungen und Stärken hat. Es gibt keine "typische" autistische Person. Wie oben beschrieben, hat jeder Mensch ein paar autistische Merkmale, aber niemand hat alle. Wer bestimmte Merkmale zeigt, bekommt die Diagnose Autismus. Jede*r Autist*in ist anders, so wie auch bei neurotypischen Menschen.

 

Mythos 9: Autistische Kinder "wachsen aus dem Autismus heraus".

 

Fakt: Autismus ist eine lebenslange neurologische Variation mit verschiedener Wahrnehmung. Mit der richtigen Unterstützung und Anpassungen können viele Autist*innen jedoch Strategien entwickeln, um besser mit den Anforderungen ihrer Umwelt umzugehen. Man wächst allerdings nicht aus dem Autismus heraus, denn der lässt sich nicht wegzaubern. Viele Erwachsene zeigen in der Öffentlichkeit kaum autistische Symptome, aber zuhause brechen sie dann zusammen. Daher wirkt es oft so, als würden Erwachsene keinen Autismus mehr haben. Haben sie doch, viele zeigen es nur nicht und maskieren sehr stark.

 

 

 

Fällt dir noch ein weiterer Mythos zum Autismus ein?

 

 

Mir ist es sehr wichtig, noch einmal zu erwähnen, dass Autismus eine neurologische Besonderheit ist, das heißt, dass die Wahrnehmung anders funktioniert. Autist*innen sind ganz normale Menschen, wie du und ich. Jeder ist anders, aber Autist*innen kämpfen meist viel mehr, weil sie die anderen nicht so gut verstehen, weil es ihnen schwer fällt, sich in andere hineinzuversetzen und weil sie sich ständig anpassen müssen. Unsere Gesellschaft ist neurotypisch geprägt und wir lernen alle als Kinder, wie wir uns verhalten sollten und was sich gehört. Auch wenn Autist*innen das oft nicht verstehen, versuchen sie sich anzupassen. Das ist sehr anstrengend.

 

 

Deshalb sollten wir alle aufeinander Rücksicht nehmen und andere unterstützen, wenn sie Hilfe benötigen, egal ob sie neurodivers oder neurotypisch sind. Wir sind alle Menschen!

 

 

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