Ich habe mich sehr über das Thema der Blogparade von Gabriella Rauber gefreut. Es passt perfekt zu den Themen meines Blogs und ich mache mir darüber immer wieder Gedanken. Wie können wir Schule anders denken? Wie könnten wir die Schule verändern, damit sie kindgerechter und an unsere heutige Zeit angepasst ist?
Zuerst finde ich, dass Schule individueller werden sollte. Jeder Mensch ist anders und auch jedes Kind ist anders. Daher ist es nicht weiter sinnvoll, dass alle Kinder alles zur gleichen Zeit lernen müssen. Als Babys haben sie noch einen Spielraum. Kinder sollten gehen lernen, bis sie ca. 18 Monate alt sind. Bis dahin habe sie Zeit. Manche gehen schon mit 9 Monaten, andere brauchen die 18 Monate und alles dazwischen ist normal. Auch im Kindergartenalter gibt es noch variable Vorgaben, bis wann ein Kind etwas können sollte, aber sobald ein Kind 6 Jahre alt wird, kommt es in die Schule und dann lernen alle Kinder immer das gleiche. Dabei wird nicht beachtet, ob das Kind am 1. September geboren wurde oder am 31. August des Folgejahres (In Österreich ist der 1. September der Stichtag für das neue Schuljahr). Somit gehen Kinder zusammen in die Klasse, die teilweise ein ganzes Jahr älter oder jünger sein können. Das ist schon ein großer Unterschied! Das Alter eines Kindes wirkt sich auch auf die Schulreife und Schulleistungen aus. Wenn ein Kind Anfang September Geburtstag hat, dann hat es ein Jahr mehr Lebenserfahrung als ein Kind, das Ende August im nächsten Jahr geboren wurde. Trotzdem müssen sie ab dem 1. Schultag jeden Tag das gleiche lernen und machen. Das ist nicht fair! Es wäre sinnvoll, alle Kinder mit 6 Jahren zu screenen und zu schauen, wo sie gerade stehen. Je nachdem sollte das Kind dann in die 1. Klasse kommen oder noch ein Jahr im Kindergarten bleiben oder in die Vorschule gehen. So würden Kinder, die noch nicht schulreif sind, ein Jahr Kindheit dazugewinnen. Bei der Schuleinschreibung wird so etwas in der Art gemacht, aber es gibt dann nur die Optionen Schule oder Vorschule. Manchen Kindern würde ein Jahr länger im Kindergarten, spielen, Deutsch lernen und soziale Kompetenzen erweitern echt gut tun.
Die Lehrpläne in den Schulen werden immer voller und der Druck auf die Kinder beginnt immer früher. Sie müssen weiterhin alles lernen, was auch früher gelehrt wurde, aber in unserer heutigen Zeit gibt es so viel mehr, das die Kinder dazulernen. Es gab früher keine Computer, kein Internet und keine Smartphones. Den Umgang damit zu erlernen, sollte eigentlich ein eigenes Schulfach sein. Viele Eltern kennen sich damit selbst nicht gut aus und können ihren Kindern kein gutes Vorbild sein, deshalb sollten das alle Kinder in der Volksschule lernen. Die Lehrpläne könnten verändert werden, aber das dauert viele, viele, viele Jahre, bis sich da etwas ändert. Die Bürokratie ist leider sehr langsam…
Religionsunterricht sollte nicht mehr in der Schule stattfinden. Religion ist Privatsache und jeder, der seine Kinder religiös erziehen möchte, kann das zuhause tun, aber in den Schulen brauchen wir das nicht. Stattdessen würde ich ein Schulfach vorschlagen, das „soziale Kompetenz“ oder so etwas in die Richtung unterrichtet. Das gibt es schon in manchen Schulen, aber eben zusätzlich oder statt einem Fach, das die Kinder gerne mögen, wie Zeichnen, Werken oder Musik. Diese Fächer, in denen der Druck meist nicht so hoch ist und in denen sich die Kinder einmal bewegen und kreativ ausleben dürfen, werden immer weniger. Es werden Stunden gestrichen. Streichen wir doch den Religionsunterricht.
Auch die Interessen der Kinder sollten verstärkt in den Unterricht integriert werden. Wenn sich die Kinder gerade besonders für das Weltall interessieren, dann kann man ja etwas darüber lernen und wenn sie sich für Marienkäfer interessieren, könnte man dieses Thema in den Unterricht integrieren. Außerdem wäre fächerübergreifendes Lernen und Projektarbeiten sinnvoll. Dann lernen die Kinder nicht zu Schulbeginn die biologische Sichtweise und mitten im Schuljahr die geografische Sichtweise eines Themas, sondern sie könnten alles auf einmal lernen und es auch besser verstehen, weil sie mehr Informationen auf einmal haben. Wenn ein Kind ein besonderes Interesse an einem Thema hat, könnte es sich ja in diesem Bereich vertiefen. Dafür könnte man immer wieder Phasen in den Unterricht einbauen. Das wäre cool und würde die Kinder motivieren, sich mit verschiedenen Dingen auseinanderzusetzen. Sie müssten dann nicht nur vorgegebene Inhalte auswendig lernen, sondern könnten sich selbst mit einem Thema näher beschäftigen.
Kinder mit Lernschwierigkeiten gehen in unseren Schulen unter. Viele bekommen mit der Zeit Ängste oder Depressionen. Sie verlieren ihr Selbstwertgefühl. Die Kinder haben das Gefühl, dass sie nichts können und immer alles falsch machen. Das kann sich vom Mathematikunterricht auch auf das allgemeine Selbstbild übertragen und dann rutschen die Kinder in psychische Krisen. Das muss verhindert werden! Kinder mit Legasthenie oder Dyskalkulie sollten von Anfang an gefördert werden. Wenn ein Kind Schwierigkeiten hat, sollte sofort hingeschaut und gehandelt werden und nicht erst einmal zwei Jahre abgewartet werden. Wenn ein Kind früh Hilfe bekommt, lernt es von Anfang an Strategien, mit denen es sich selbst helfen kann. Kinder, bei denen erst im Gymnasium erkannt wird, dass sie eigentlich eine Lernschwäche haben, haben sich bis dahin selbst durchgeschlagen und sehr viele Misserfolge erlebt. Sie hören immer wieder, dass sie zu wenig gelernt haben, zu faul oder dumm sind. Kinder, die solche falschen Sätze immer wieder hören, glauben es irgendwann. Sie verlieren den Glauben an sich selbst. Das ist wirklich schlimm! Ich wünsche mir, dass alle Lehrkräfte eine gute und fundierte Ausbildung bekommen und erkennen, wenn ein Kind Schwierigkeiten beim Lesen, Schreiben oder Rechnen hat und dass sich die Lehrkräfte auch trauen, das bei den Eltern anzusprechen. Abwarten hilft niemandem! Außerdem sollten die Lehrkräfte das Handwerkszeug erhalten, damit sie wissen, wie sie den Kindern helfen können. Lehrkräfte, die wissen, was sie tun sollen, unterstützen auch gerne. Lehrkräfte, die unsicher sind, warten eher ab, bis sie ins Handeln kommen.
Kleinere Lerngruppen sind ebenso dringend notwendig, weil nur so auf die Individualität der Kinder eingegangen werden kann. Wenn 25 oder mehr Kinder in einer Klasse sitzen, kann sich eine Lehrkraft nie auf alle konzentrieren. Es wird immer wieder ein Kind übersehen. Das ist keine Kritik an den Lehrkräften. Ich weiß, dass sie ihr Bestes geben und sich jeden Tag bemühen, allen Schüler*innen gerecht zu werden. Ich weiß aber auch, dass die Gesundheit der Lehrkräfte oft darunter leidet und dass viele kurz vorm Burnout stehen und sich trotzdem weiterhin für die Kinder einsetzen. Liebe Lehrkräfte: Passt auch euch und eure Gesundheit auf! Es sollte auch verpflichtende oder zumindest kostenlose Supervision für Lehrkräfte geben, denn sie arbeiten jeden Tag mit vielen Menschen und müssen dann alles mit sich selbst ausmachen. Das ist schwierig und anstrengend!
Alle würden von kleineren Lerngruppen profitieren, weil die Kinder individueller lernen können und die Lehrkräfte mehr Zeit haben, sich um jedes einzelne Kind zu kümmern. Ein Kind kann dann auch mit privaten Problemen kommen, weil es eine gute Beziehung zur Lehrkraft hat und sich ihr anvertrauen kann. Wenn weniger Kinder in einer Klasse sind, können bestimmte Stoffgebiete noch einmal wiederholt werden und die Kinder können eher nachfragen oder etwas erzählen, als wenn 28 Kinder in der Klasse sitzen.
Wir brauchen auch mehr Schulpsycholog*innen an den Schulen, denn die psychischen Belastungen für alle werden immer höher. Daher sollte es mehr Schulpsycholog*innen geben, die an den Schulen sind und die Kinder und Lehrkräfte beraten und unterstützen. Es sollte überhaupt mehr zusätzliche Berufsgruppen an Schulen geben: Schulärzt*innen, Sonderpädagog*innen, Ergotherapeut*innen, Logopäd*innen, IT-Fachkräfte, Sekretariatsmitarbeiter*innen, … Viele Berufsgruppen können an Schulen mitarbeiten und die Kinder und Lehrkräfte unterstützen.
Die Kinder verbringen immer mehr Stunden in der Schule. Für berufstätige Eltern ist es wichtig, dass die Kinder in einer Ganztagesschule betreut werden. Das ist klar. Dabei ist es aber sehr wichtig, dass die Kinder auch Bewegung bekommen und auch Hobbys nachgehen können. Daher wäre es cool, wenn in den Ganztagesschulen am Nachmittag auch Sportkurse oder Musikinstumentenunterricht angeboten werden könnten. Dann müssen die Kinder nicht am Abend zum Sport und haben auch zuhause noch ein bisschen Freizeit. Was ich außerdem sehr wichtig finde, sind ruhige Räume und Rückzugsorte. Es gibt viele neurodivergente Kinder, die Ruhe und Erholung brauchen. Die bekommen sie in der Schule aber nicht, weil immer viele Kinder um sie herum sind und es oft sehr laut ist. Ein Ruheraum oder eine abgedunkelte Ecke kann den Kindern dabei helfen, sich selbst wieder zu regulieren.
Unser Schulsystem muss sich ändern, denn so wie es jetzt ist, wird es nicht mehr allzu lange funktionieren. Irgendwann in näherer Zukunft wird das System zusammenbrechen und was machen wir dann? Es gibt viele Ideen und Visionen, aber leider setzt die Politik nicht viel davon um, weil Kinder nicht wählen dürfen und daher keine so große Priorität haben. Sehr, sehr traurig!
Ich wünsche mir für die Kinder, dass sie ein glückliches und schönes Leben haben, dass sie gute Beziehungen zu Eltern, Freund*innen und Lehrkräfte aufbauen können und dass sie in der Schule Sachen lernen, die sie auch wirklich brauchen (dazu habe ich vor kurzem einen Blogartikel geschrieben).
Ich glaube, dieser Blogartikel ist nie wirklich fertig, weil mir immer wieder etwas Neues dazu einfallen wird. Ich werde ihn dann einfach ergänzen.
Birgit
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